Chefarzt und Geschäftsführer wegen
Verdachts auf bandenmäßigen Abrechnungsbetrug verhaftet Berlin
- Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwoch einen Chefarzt und
die beiden Geschäftsführer der Berliner DRK-Kliniken verhaftet. Ihnen
wird „banden- und gewerbsmäßiger ärztlicher Abrechnungsbetrug"
vorgeworfen. Nach Polizeiangaben ist den Krankenkassen dabei ein
Millionenschaden entstanden. 150 Polizisten und drei Staatsanwälte
drangen zeitgleich in die drei DRK-Kliniken in Wedding, Westend und
Köpenick, die Zentrale der DRK-Kliniken in Wilmersdorf sowie 22
Wohnungen ein. Oberstaatsanwalt Volker Thiel sagte, dabei sei
umfangreiches Beweismaterial sicher gestellt worden. Aus Polizeikreisen
hieß es, dass gegen das Berliner Rote Kreuz nicht ermittelt werde. Die
DRK-Kliniken sind eine Gesellschaft der „Schwesternschaft Berlin im
Roten Kreuz". Gegen die
beiden Geschäftsführer und gegen den Radiologie-Chefarzt Hermann S.
besteht der dringende Tatverdacht, dass unter ihrer Regie von dafür
nicht qualifizierten und nicht zugelassenen Assistenzärzten
Spezialleistungen erbracht und auf Weisung der Geschäftsführung über
Fachärzte abgerechnet worden sein sollen, teilte die Staatsanwaltschaft
mit. Bislang könne man 128 Fälle mit 170 000 Euro Schaden sicher
nachweisen. Dies sei nur die „Spitze des Eisberges". Der Betrug habe
2005 begonnen und „bis zum letzten Tag" gedauert. Das Landeskriminalamt
sprach von „organisierter Wirtschaftskriminalität". Die
Staatsanwaltschaft strebt mehrjährige Haftstrafen für die drei
Haupttäter an, diese haben sich bislang nicht geäußert. Insgesamt
gibt es bislang 24 Beschuldigte, darunter etwa zwölf Assistenzärzte.
Sie sollen nicht finanziell profitiert, jedoch wissentlich und auf
Anweisung Patienten ohne die erforderliche Facharztausbildung behandelt
haben. Ihnen wird deshalb in 56 Fällen gefährliche Körperverletzung
vorgeworfen. In mindestens einem Fall musste ein Patient nach einer
fehlerhaften Behandlung durch einen Assistenzarzt intensivmedizinisch
versorgt werden. Wie groß das Problem falscher Abrechnungen
bundesweit ist, zeigen Kontrollen der Kassen: 40 Prozent aller geprüften
Klinikabrechnungen in Deutschland seien falsch, sagte die
Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV), Doris Pfeiffer, dem Tagesspiegel. „Der
Schaden für die Krankenkassen, und damit für die Beitragszahler, beläuft
sich auf über eine Milliarde Euro pro Jahr." Geprüft werden derzeit
zehn bis zwölf Prozent aller Abrechnungen. „Oftmals steckt keine böse
Absicht dahinter, sondern lediglich ungenaues Arbeiten", sagte Pfeiffer.
„Aber manchmal vermutlich auch Absicht." Der Grund für die hohe Quote
fehlerhafter Abrechnungen liege im komplexen Abrechnungssystem sowie in
fehlenden Anreizen zur korrekten Abrechnung, heißt es im jüngsten
Bericht des Bundesrechnungshofes vom November 2009. Bislang müssen
ertappte Falschabrechner, wenn der Fall nicht strafrechtlich relevant
ist, der Krankenkasse nur den ermittelten Fehlbetrag überweisen. Der
GKV-Spitzenverband fordert nun zusätzliche Strafzahlungen an die Kassen.
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