Als unsolidarisch hat die CSU die Kopfpauschale stets gebrandmarkt. Doch
ist das Modell von Markus Söder wirklich besser?
Kopfpauschale oder einkommensabhängiger Zusatzbeitrag: Was rettet das
Gesundheitssystem? Und was ist sozialer?
Das Gesundheitskonzept des bayerischen Gesundheitsministers Markus
Söder (CSU) lässt die Wogen in der Union derzeit mal wieder
hochschlagen. Es sind vor allem Berliner CSU-Abgeordneten, die sauer
sind. Man habe "die Schnauze voll" von den gesundheitspolitischen
Alleingängen der Münchner, heißt es unverblümt. Das "Kasperletheater
muss aufhören". In der CDU ist der Ärger kaum geringer, auch wenn er
vorerst noch höflicher formuliert wird. "Wir halten es für falsch, die
Arbeit der Gesundheits-Kommission durch Querschüsse ständig zu
beeinflussen", sagt etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der
Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU).
Der Unmut wirkt allerdings nur zum Teil verständlich. Hatten doch
sowohl Abgeordnete der CDU als auch der CSU sich in den letzten Wochen
immer wieder darüber mokiert, dass aus Bayern nur Fundamentalopposition
gegen die Gesundheitspläne von FDP-Minister Philipp Rösler komme, aber
keine konstruktive Idee, wie die steigenden Ausgaben im
Gesundheitssystem zu bewältigen seien. Die bayerische
Gesundheitsminister hat also mit seinem Gegenkonzept im Grunde nur das
getan, was seine Berliner Parteifreunde von ihm verlangt haben.
Grundsätzlich ist Söders Vorschlag durchaus eine mögliche Variante,
den chronisch defizitären gesetzlichen Kassen zu höheren Einnahmen zu
verhelfen. In seinem Modell würde der Versicherungsbeitrag von 14
Prozent des Einkommens künftig wieder hälftig zu je sieben Prozent von
Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt. Derzeit zahlen Arbeitnehmer 7,9
Prozent. Darüber hinaus dürften die Kassen einen einkommensabhängigen
Zusatzbeitrag erheben. Den gibt es heute schon, allerdings ist er bei
einem Prozent des Einkommens gedeckelt. Diese Begrenzung würde beim
Söder-Modell fallen oder zumindest angehoben werden.
Zum Vergleich: Auch bei einer kleinen Gesundheitsprämie, wie sie FDP
und CDU wollen, würde es weiterhin einen einkommensabhängigen Beitrag
geben, der zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt
würde. Die notwendigen Zusatzbeiträge würden allerdings pauschal
erhoben, sie müssten von reichen und armen Versicherten gleichermaßen
bezahlt werden. Um Ungerechtigkeiten zu verhindern, würden sozial
schwächer gestellte Versicherte anschließend einen aus Steuern bezahlten
Sozialausgleich erhalten.
Der wesentliche Vorteil des Söder-Modells liegt nun darin, dass es in
der Tat unbürokratischer wäre. Denn anders als beim Prämienmodell wäre
keine neue Verwaltung zur Auszahlung der Sozialbeiträge notwendig. Alles
könnte abgerechnet werden wie bisher.
Auch die Entkoppelung von Arbeitskosten und Gesundheitskosten, die
die Kanzlerin in jeder Rede anmahnt, weil sie sich dadurch einen
positiven Effekt für den Arbeitsmarkt erhofft, wäre im Söder-Modell
gegeben. Denn die Arbeitgeberbeiträge würden auch in Zukunft bei sieben
Prozent eingefroren. Söder und sein Parteichef Horst Seehofer haben in der Vergangenheit
allerdings vor allem gegen die Kopfpauschale gekämpft, weil sie diese
für unsolidarisch und ungerecht halten. Gerade da steht ihr Modell aber
nicht automatisch besser da. Denn die Zusatzbeiträgemüssen bei Söder
genau wie in den Plänen von Rösler ausschließlich von den Arbeitnehmern
bezahlt werden.
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Vorschlägen ist aber
folgender: Im Söder-Modell würde eine Umverteilung der zusätzlichen
Kosten nur zwischen den gesetzlich Versicherten stattfinden, die reichen
privat Versicherten blieben verschont. Geht es nach FDP und CDU würden
dagegen alle Steuerzahler und nicht nur die gesetzlich Versicherten an
den steigenden Gesundheitskosten beteiligt.
Ob dies im Endeffekt sogar sozialer wäre als das Söder-Modell, wie
die Kanzlerin und ihr Gesundheitsminister behaupten, hängt letztlich
davon ab, wie der Sozialausgleich finanziert wird. Da seit Jahren der
Anteil der direkten, also auf persönliche Einnahmen bezogenen Steuern am
Gesamtsteueraufkommen eher stagniert, während der Anteil der indirekten
- also von allen gleichermaßen zu zahlenenden - Steuern wie zum
Beispiel der Mehrwertsteuer steigt, ist die Umverteilungswirkung der
Kopfpauschale schwer zu beurteilen. Würde der Sozialausgleich zudem gar
durch Einsparungen bei anderen sozialen Leistungen gegenfinanziert,
könnten gerade ärmere Versicherte durchaus in die Lage kommen, dass
ihnen der Staat mit der einen Hand etwas gibt, was er ihnen mit der
anderen wieder nimmt. Doch auch wenn Söder bei der FDP und in den eigenen Reihen mit seinem
Vorstoß nun erstmal auf viel Kritik gestoßen ist, muss die Idee damit
noch nicht politisch tot sein. Sollte sich am Ende der Verhandlungen der
Gesundheitskommission nämlich herausstellen, dass sich der
Sozialausgleich für eine kleine Kopfpauschale anders als versprochen
doch nicht so organisieren lässt, dass Aufwand und Nutzen in einem
sinnvollen Verhältnis stehen, dann könnte die Söder-Idee plötzlich
ziemlich attraktiv erscheinen.
Ob das für die CSU am Ende wirklich ein politischer Sieg wäre, ist
allerdings fraglich. Denn der auffälligste Effekt einer solchen Reform
für die Versicherten wäre vor allem, dass sie mehr bezahlen müssten. Und
zwar ganz ohne das schöne Gefühl, davon bei der Steuer womöglich einen
Teil zurückzubekommen.
Quelle: http://www.zeit.de
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